Canberra, 17.-20.01.2011

In Kanada und den USA habe ich ja bereits gelernt, dass Hauptstädte auf anderen Kontinenten nicht die gleiche Bedeutung haben wie in Europa. Während sie bei uns nicht nur Regierungssitz, sondern auch kulturelle Hochburgen, Anziehungspunkt für Touristen etc., also schlichtweg in vielerlei Hinsicht von großer Bedeutung sind, sind Ottawa und Washington D.C. hauptsächlich für die Verwaltung geschaffen. Dazu gibt’s noch ein paar Museen. Fertig. So wie es aussieht, ist es bei Canberra auch so, ich rechne mit einer langweiligen Stadt, lasse mich aber trotzdem nicht davon abbringen, dort hinzufahren. Schließlich muss sich ja nicht jede Entscheidung in meinem Leben rational begründen lassen.

Auf dem Weg bringt mich ein guter alter Bekannter, der Greyhound Bus. Dieser sollte hier aber anders heißen, denn die Busse riechen nicht nach nassem Hund und es gibt sogar eine Verpflichtung zur Sauberkeit an Bord, den entsprechenden Passus in den AGBs möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten:

PERSONAL HYGIENE
Passengers must be sufficiently washed and clean prior to boarding the coach. Any passenger with an odour that, in the reasonable opinion of Greyhound Australia, is objectionable to other passengers or staff may be asked to bathe themselves prior to boarding and/or may be required to travel on another service. If this change incurs a fee, it will be borne by the passenger.

(aus den AGBs von Greyhound Australien)

Die Fahrt ist also entsprechend unspannend. Neben mir sitzt eine nette alte Dame, die zur 70. Geburtstagsfeier ihrer Schwester anreist und den Film, den wir versuchen zu sehen (irgendwie ist die DVD kaputt) bereits kennt und so gerne mag, dass sie mir einfach alle fehlenden Teile erzählt. Außerdem gibt es diverse Backpacker und wie ich zu meinem Erstaunen feststelle, niemanden, der aussieht, als käme er gerade aus dem Knast (und ich bilde mir ein, hierfür einen gewissen Blick entwickelt zu haben). Auch die Landschaft, durch die wir so fahren ist relativ unspektakulär. Ich will ja nun nicht wieder mit dem Sauerland anfangen, aber das vermittelt vielleicht einen gewissen Eindruck, wie es hier aussieht…

Was ich allerdings sagen muss: Das Gras ist auf der anderen Seite (und damit meine ich in diesem Falle Neuseeland) wirklich grüner und die Schafe sind hier viel weniger dekorativ. Also, das geht jetzt natürlich nicht persönlich gegen die Schafe, aber zum Einen fallen sie auf Grün viel eher auf, als auf Graubraun (ok, das ist nicht ganz so sauerländisch… außer vielleicht im Herbst…) und zum Anderen sind auch die Schafe hier nicht weiß, sondern ebenfalls graubraun. Ich nenne sie daher liebevoll Camouschafe. Also natürlich erst, als ich sie entdecke. Was ziemlich lange dauert. Sonst müsste ich sie ja nicht so nennen…

Nach Canberra wollen ja nur die Wenigsten, denn – wie jeder weiß – ist es dort recht unspannend Entsprechend gibt es wenig Hostelauswahl und ich lande in einem YHA, obwohl ich ja eigentlich die Siffhostel-Strategie fahren wollte.. Für alle, die YHA /HI nicht kennen: Es sind zertifizierte Hostels. Zu Hause z.B. vom Deutschen Jugendherbergswerk. Man bekommt einen bestimmten Standard (z.B. Lampen am Bett), darf aber nicht allzuviel Charme erwarten. Allerdings kann man drauf zählen, verdammt viele Deutsche zu treffen. Und diese sind in meinem Fall natürlich alle zwischen 18 und Anfang 20, gerade mit der Schule (bzw. in einem Fall der Ausbildung) fertig und unglaublich anstrengend. Als ich ins Zimmer komme und die stetigen Nörgeleien höre, denke ich darüber nach, mich einfach als von irgendwoanders her kommend auszugeben. Vielleicht sollte ich wirklich mal mehr über Südafrika lesen, den Akzent kann keiner so richtig zuordnen und mehrfach wurde mir das schon als Heimat nachgesagt…

Aber ich bin ja eine ehrliche Haut, irgendwann würden mich meine beiden „Jack Wolfskin“-Artikel ohnehin verraten und irgendwie packt mich dann ja auch der Beschützerinstinkt. So unterhalte ich mich ein Wenig mit den gerade anwesenden Mädels. Die beiden sind seit zwei Wochen in Australien, waren zuerst in Sydney, was sie total toll fanden, wo sie aber keinen Job gefunden haben. Dann sind sie nach Canberra, aber da ist ja nix los. Wie gesagt, das sollte einen eigentlich nicht überraschen, wenn man zumindest einmal kurz den Lonely Planet aufgeschlagen hat. Gäbe es ein Symbol für „langweilig“ wäre es wohl zwischen zwei Ausrufezeichen an einer auffälligen Stelle in Fettschrift abgedruckt… da man aber den Text lesen muss, sind die beiden überrascht über diese Tatsache. Außerdem ist das Hostel ihrer Meinung nach auch nicht schön (definitiv das sauberste und ordentlichste, dass ich in den letzten Wochen hatte), schließlich hatten sie von der Organisation, die ihnen das Visum etc. besorgt hat in Sydney ein ganz besonderes reserviert bekommen und das war viel schöner. War aber sogar noch teurer als das hier und überhaupt ist alles so wahnsinnig teuer, das geht ja gar nicht….zwar gibt es hier einen Aldi, in dem man ordentliche Sachen bekommt, aber der macht ja schon viel zu früh zu…unmöglich… und nach Melbourne brauche ich gar nicht fahren, da sind nämlich alle Hostels ausgebucht (hmmm… komisch, als ich am kommenden Tag nachsehe, finde ich noch einige…), weil alle Backpacker, die nach Queensland wollten jetzt dort sind und außerdem die „Australien Open“ stattfinden. Das ist ja alles gar nicht schön…. Außerdem möchten sie ja Englisch lernen, aber hier sind ja nur Deutsche, wie soll das da denn bitte gehen? Und wenn sie jetzt nicht bald, also in den nächsten Tagen, einen Job finden, dann müssen sie nach Hause fliegen. Das wäre ja auch doof, aber anders ginge es halt nicht….

Als ich dann mal kurz anmerke, dass es ja ggf. auch noch die Option gäbe, durch Volunteering zumindest ein Bett und Essen zu bekommen, zieht es die eine noch in Betracht, die andere aber ist entsetzt. Sowas würde sie ja nicht tun.. Genau. Lieber nach drei Wochen wieder nach Hause fliegen…. Irgendwann während dieses Gesprächs blinkt mein neuer Lieblingssatz in meinem Kopf auf und ich muss mich beherrschen, ihn nicht laut zu sagen. Dieser lautet „Halt die Klappe und sei glücklich!“ Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie oft der noch aufblinkt…

Zum Glück taucht irgendwann eine gutgelaunte Engländerin auf, die ein fröhliches „Hello!!!“ in den Raum wirft und sich damit vermutlich den Unmut der beiden Mädels auf sich zieht, denn diese schlafen den ganzen Tag. Ruth macht in Australien Urlaub, hat zwei Tage in Canberra und möchte was sehen. Also schließe ich mich ihr an und da sie ein Auto hat, ist das Erkunden der Stadt um so leichter. Wir fahren also einmal grob durch die Stadt, schauen uns das wirklich faszinierende Regierungsgebäude von außen an, stellen fest, dass das Wasser im See extrem siffig ist und die Idee, dass irgendwer darin schwimmen könnte (was zum Glück nicht vorkommt) extrem ekelhaft wäre und begeben uns dann auf die vergebliche Suche nach Wi-Fi. Gar nicht so leicht in einer Hauptstadt…

Als wir wieder im Hostel sind, sprechen die beiden deutschen Mädels (sowie die drei anderen deutschen Zimmergenossinnen) natürlich nur mich an (auf Deutsch) und meine Versuche, die Unterhaltung in Englisch zu führen, damit sich Ruth nicht komisch vorkommt und die beiden vielleicht doch noch was von ihrer Sprachreise haben, sind vergeblich. Das letzte Stückchen Beschützerinstinkt in mir weicht einer stetig wachsenden Aggression. Wenn sich noch ein einziges Küken darüber beschwert, kein Englisch zu lernen, weil hier zu viele Deutsche sind, dann kann ich für nichts garantieren…

So. Genug gelästert. Canberra hat nämlich zum Glück noch mehr für mich zu bieten, als nur nervige deutsche Mädels. Ich tue nämlich das einzig richtige und schließe mich einfach auch am nächsten Tag mit Ruth zusammen, um den Rest der Stadt zu erkunden. So treiben wir uns eine Weile in den Museen und Galerien herum (da sind diese Australier wirklich nicht schlecht drin) und gehen schließlich zum „War Memorial“. Hierfür ist Canberra bekannt und es ist wirklich beeindruckend. Das Hauptmahnmal erinnert an die beiden Weltkriege und im Gedenken an die Gefallenen haben Freunde, Bekannte oder wer auch immer Mohnblumen aus Stoff neben die endlose Liste der Namen gesteckt. Außerdem gibt es auch hier ein Museum. Eine freundliche Dame erklärt uns, dass es dort um die Geschichte sämtlicher Kriege geht, es ziemlich interessant sei und viele Leute tagelang dort drin verweilen könnten. Die Ausstellung ist zweifellos spannend und allumfassend. Der Grund, warum manche dort wohl tagelang verbringen ist aber vermutlich ein anderer… so einfach es auch ist, in das Museum hineinzukommen und unseren Weg durch die einzelnen Themen zu finden… wie wir wieder herauskommen sollen ist uns schleierhaft.n Und zwar ziemlich lange. Unterirdisch, von außen kaum sichtbar befindet sich also ein Museum, das groß genug ist, dass man sich darin problemlos verlaufen kann. Irgendwann, nachdem wir diverse orginale Kampfjets gesehen und gehört haben, auf riesigen Leinwänden Luftangriffe „miterleben“ konnten und überhaupt alles Mögliche bewundert haben, finden wir zwei Mitarbeiter, die uns bei der Suche nach dem Ausgang helfen können… Puh… wie schön kann doch Tageslicht sein…

Vor dem Mahnmal, links und rechts der Prachtstraße, die hin zum Parlamentsgebäude führt, befinden sich noch einmal einzelne Denkmäler zu allen weiteren Kriegen, in denen Australier gekämpft haben. Um ehrlich zu sein hatte ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht, dass Australien überhaupt in Kriege verwickelt gewesen sein könnte. Ein Land, so weit weg, dass es keinerlei Interesse an Konflikten zu haben scheint… wäre da nicht die Bindung zu England. Und die Queen hat in den vergangenen Jahren oft genug gerufen, so dass die Australier (genau wie die Amis) nur noch wenig Platz haben, um an all die Kriege zu erinnern, in denen sie mitgemischt haben.

Canberra ist wirklich keine Stadt, die man unbedingt bereisen muss. Wenn man aber schonmal vorbeikommt, lohnt sich der Blick in die Museen wirklich. Eigentlich schade, dass es hier so wenige hinverschlägt.

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