St. Augustin, 24.-26.08.2010

Als waschechter Europäer halte ich es natürlich für eine gute Idee, mir die älteste Stadt der Vereinigten Staaten einmal anzusehen. Also auf nach St. Augustin.

Morgens um 6.00 Uhr erfahre ich dann auch die wortwörtliche Bedeutung von „The bus will drop you off at the visitor’s centre…“, denn es ist der erste Ort, an dem es keine Greyhoundstation gibt. Ich stehe also plötzlich im Stockdustern an einem Greyhoundschild. Das einzig Beleuchtete ist eine Tiefgarage und ich sehe keine Menschenseele. Nichteinmal Autos. Wirklich gespenstisch. Was ich von den Gebäuden um mich herum erkennen kann, sieht aus wie ein Ferienresort, aber dunkel und komplett unbelebt. Ihr könnt euch vorstellen, dass ich mich sofort pudelwohl fühle. Ich schaue mich um, entdecke ein Hotel und beschließe, dort nach Asyl zu fragen.

Als ich mit meinem großen Rucksack auf dem Rücken und dem Kleinen auf dem Bauch und immer noch extrem warm gekleidet in der Lobby ankomme und erkläre, dass ich gerade im Dunkeln hier gestrandet bin und mich nicht traue weiterzugehen und außerdem ein bemitleidenswertes, kleines Mädchen bin, fragt mich der Mann an der Rezeption auch gleich, ob ich denn mit dem Greyhound angekommen bin… offensichtlich hätte ich nichtmal „süß“ spielen müssen. Ich bekomme Stadtpläne, habe nette Gesellschaft diverser älterer Menschen und hätte vermutlich sogar Kaffee bekommen.

Gegen 7.00 Uhr ist es hell genug und ich gehe durch die Stadtmauern und betrete Disney-Land. Die Häuser wirken wie Kulissen. Alte Holzhäuser, restauriert und das Einzige, was es dort gibt, sind Restaurants und Souvenirläden. Überall hängen schicke Holzschilder – wie Früher- aber mit modernen Inschriften. Das „älteste hölzerne Schulhaus“ ist auch restauriert und zwar so, dass man ihm noch ansieht, dass es ein altes Haus ist. Jemand hat sich extrem viel Mühe dabei gegeben, die Bretter so zu bemalen, dass sie verwittert aussehen. Und dann dieser Bodenbelag, der zwar aus Muschelschalen besteht, aber trotzdem aussieht wie Beton… ich bin entsetzt.

Nach einem kurzen Nickerchen (irgendwie hab ich im Bus nicht gut geschlafen, weil ständig irgendwelche Körperteile meines widerlichen Sitznachbars auf mich drauf fielen) begebe ich mich in das touristische Geschehen und senke ersteinmal den Altersdurchschnitt um eine nicht unwesentliche Anzahl an Jahrzehnten. Geschichte findet man hier trotz der Disney-Aufmachung tatsächlich an diversen Orten und so mache ich eine Führung im „Flagler College“ mit. Das Gebäude war früher einmal ein Luxushotel, genaugenommen das erste mit elektrischer Beleuchtung. Gebaut wurde es von Henry Morrison Flagler. Kumpel und Geschäftspartner von Rockefeller, aber nicht ganz so bekannt, dafür wenn überhaupt, nur unwesentlich ärmer. Er war ein absoluter Perfektionist, da er aber der Meinung war, dass die absolute Perfektion nur von Gott erreicht werden kann, hat er in einem Mosaik einen Stein falsch setzen lassen. Natürlich an einer Stelle, wo es keiner sieht. Irgendwie gefällt mir diese Episode.

Die Studenten essen heute noch in den Räumen, in denen damals die Reichen und Schönen speisten. Hat schon was. Dort hätte man auch Harry Potter drehen können oder so.

Wenn ich auch eben von „touristischem Geschehen“ gesprochen habe, so muss ich doch sagen, dass ich außerhalb der Saison hin St. Augustin bin. Genauergesag genau zwischen den Saisons. Es gibt also kaum Menschen auf den Straßen, denn die Einheimischen sind natürlich woanders. Nicht übertrieben habe ich allerdings mit dem Durchschnittsalter, vermutlich wollen die Damen und Herren ihre letzte Chance nutzen, aus dem „Fountain of Youth“ zu trinken. Ich überlege kurz, ob das so knapp vor meinem 30. nicht vielleicht eine Option wäre, finde Altern dann aber doch ganz gut und entscheide mich dagegen. Sehen möchte ich den Brunnen aber trotzdem gerne, kann ich aber nicht, macht um 16.00 Uhr zu.

Als ich so die Straße langlaufe, spricht mich wiedereinmal ein Amerikaner an: „Did you see the Peacock in the middle of the street?“ Ich gucke nach rechts zu dem weißen Pick-Up und denke mir: „Ein Pick-Up auf der Straße… ja… das hab ich in der Tat erst ca. 10098 Mal gesehen. Danke für die Info!“ und sage „ Oh yes… a Pick-Up… in the middle of the street!“ und er sagt: “Peacock, not Pick-Up!“ Und so habe ich die einmalige Gelegenheit ein Foto von einem Peacock und einem Pick-Up mitten auf einer Straße zu machen.

Was gibt es sonst noch über St. Augustin zu sagen… dort wo die ersten Spanier ankamen und ihre Mission errichteten, steht jetzt ein riesiges Kreuz aus rostfreiem Stahl. Das hat schon eine krasse Wirkung… und es gibt einen Leuchtturm und in einem abgelegenen Ökoladen esse ich den besten Veggie-Burger, den ich bisher gefunden habe. Aber sonst….Bei aller Liebe meine verehrten Amerikaner, von historischen Innenstädten habt ihr echt keine Ahnung. Also bitte versucht es erst gar nicht!

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