The Ghan, 13.-14.02.2011

Natürlich gibt es einen Grund für meine Reise nach Adelaide und der ist, dass ich mit dem Zug durchs Outback nach Alice Springs fahren möchte. Eine der legendären Bahnreisen der Welt. Genannt „The Ghan“. Wenn ich schon nicht von West nach Ost oder umgekehrt durch den heißen Kontinent reise, dann doch wenigstens vom Süden in den Norden. Naja… halb. Von Adelaide bis Alice Springs dauert es ca. 21 Stunden, den Luxus eines Schlafwagens leiste ich mir selbstverständlich nicht. Alles wird angenehmer sein, als 40 Stunden Busfahrt mit meinen amerikanischen Freunden aus dem Knast.

Zugfahren ist hier etwas anderes als zu Hause. Es ist irgendwie größer. Etwas Besonderes. Ein Erlebnis. Schon alleine weil man eine Stunde vor Abfahrt am Bahnhof sein muss (nichts für Menschen, die prinzipiell erst am Bahnsteig erscheinen, wenn der Zug bereits kurz vor Abfahrt ist (meinen Gruß an dieser Stelle ;-) ) und sein Gepäck einchecken muss. Wie beim Fliegen.

Nur mit leichtem Handgepäck, Wasser und sonstiger Verpflegung (es gibt natürlich auch einen Speisewagen, aber der in Sachen Preis und Qualität – zumindest bei Backpackern – keinen guten Ruf) begibt man sich dann in den Zug. In der zweiten Klasse sind es Großraumabteile, die 1. Klasse ist angeblich extrem luxuriös, aber dort darf man nicht mal gucken gehen. Es gibt auch einen Wagen mit Internet, aber für diese Lounge muss man extra Eintritt zahlen… vielleicht kann ich meine Online-Sucht dann doch für kurze Zeit unter Kontrolle halten. Ich habe mal wieder Glück und zwei Sitze für mich. Bei meiner Größe und meinen langen Beinen durchaus angemessen, wie ich finde. Weniger erfreut bin ich über die Tatsache, dass doch tatsächlich schon wieder das halbe Abteil von Deutschen besetzt ist. Könnt ihr mir zu Hause mal einen Gefallen tun und aus dem Fenster sehen, ob überhaupt noch jemand in meiner Heimat ist? Wobei… wenn ich mal genauer hingucke war es vielleicht eine gute Idee, zu Hause mal ein wenig auszusortieren und einen Teil auf die andere Seite der Welt zu schicken… auch wenn ich normalerweise die Ideen der Engländer nicht unbedingt gut heiße.

Schon nach kurzer Zeit habe ich ein ganz übles Exemplar (auch in Sachen Geruch) neben mir sitzen (leere Sitze sind irgendwie offensichtlich einladend) und bin unfreiwillig in eine Diskussion verstrickt, ob sich Reisende „Backpacker“ nennen dürfen, wenn sie nicht wissen, wie man einen Rucksack richtig einstellt und genug Geld haben, sich jeden Tag irgendetwas zu Essen zu besorgen, das über Toast mit Marmelade und Nudeln mit Tomatensoße hinaus geht… Ich finde, man muss auch nicht alles zu Grunde definieren, äußere meine Meinung auch, das Schlimme an solchen Dialogen aber ist ja, dass man gar nichts dazu beitragen muss, wenn man an die „richtige“ Person gerät. Diese hat dann nämlich eine feste Meinung, macht fix einen Monolog aus der Unterhaltung und man kann sich in Ruhe ein Käsebrot schmieren. Pumpernickel, keinen Toast.

Vor mir sitzt ebenfalls eine Deutsche (sie isst Wraps mit Gemüse), die in Adelaide im gleichen Hostel gewohnt hat, wie ich. Allerdings haben wir uns dort nicht unterhalten, ich wollte ja niemanden kennenlernen. Im Zug dann aber schon und mit Conny hab ich auch wirklich eine gute Gesprächspartnerin gefunden, die mir die Fahrtzeit verkürzt und mich mit ihren Erzählungen dabei gleich auf meine Reise in Südost Asien einstimmt. Conny reist in genau umgekehrter Richtung, so dass wir irgendwann feststellen, dass sie einen Tag gewinnt. Ich hingegen habe ja zwischen Hawaii und Neuseeland den 4. November verloren und damit vielleicht meine einmalige Chance verpasst, die Liebe meines Lebens zu treffen. Da liegt die Schlussfolgerung nahe, dass Conny an ihrem Zusatztag der Liebe ihres Lebens begegnet. Oder der Liebe meines Lebens? Natürlich müssen wir Kontaktdaten austauschen, wie ärgerlich wäre es denn, wenn sie meinen Traummann trifft und weiß dann nicht, wie sie mich kontaktieren soll? Mittlerweile weiß ich, dass es nicht der Fall war, aber zum Glück ist ihr auch nicht das für mich bestimmte Klavier auf den Kopf gefallen.

Der Blick aus dem Zugfenster hat nicht viel Spektakuläres zu bieten. Roter Boden, grünes Gestrüpp. Hin und wieder kommt eine Durchsage, denn wenn wir an einem See oder Ähnlichem vorbeifahren sollten wir ja schon wissen, wie dieser gerade heißt. Der Zug ist für Touristen gedacht und nicht mehr wirklich eine Beförderungsoption für die Einheimischen. Viele Seen sehen wir natürlich nicht, wenn auch mehr als für gewöhnlich… hat schließlich ordentlich geregnet in der letzten Zeit… Irgendwann am Abend meldet sich dann der Zugführer noch ein letztes Mal und erklärt uns, dass wir uns noch im Australischen Bush befinden (das scheint mir so ziemlich alles zu sein, was keine Stadt ist und noch nicht Wüste), wenn wir morgen aufwachen, sind wir aber so richtig im Outback. Ich freue mich drauf und bin fast ein Wenig aufgeregt, als ich mich auf meinen Sitzen zusammenknäule um zu schlafen.

Als ich wach werde schaue ich dann mit großer Erwartung aus dem Fenster und…. es sieht ganz genauso aus wie am Vortag. Roter Boden, grünes Gestrüpp. Das ist also diese Wüste, von der alle sprechen… ziemlich grün. Irgendwas habe ich da wohl missverstanden. Aber laut Zugführer ist dies das Outback… ok… ist in diesem Land denn gerade irgendetwas so wie immer?

Von Conny erfahre ich, dass der Zug nachts eine ganze Weile stand, wenn man das bedenkt und die Tatsache, dass wir uns sonst im Schneckentempo fortbewegen, so hegt sich in mir doch die Vermutung, dass man die Strecke Adelaide – Alice Springs mit einem handelsüblichen ICE vermutlich in acht Stunden schafft. Wenn man einen ICE ohne Achsenschaden findet. Aber dann wäre es ja kein Erlebnis mehr. Ehrlich gesagt, so wirklich ist es das ohnehin nicht… Vielleicht gerade weil auch unser Zug keinen Schaden an der Achse hat… der versprochene Hauch von Abenteuer fehlt. Die Landschaft ist zweifelsohne wunderschön, wenn auch nicht gerade abwechslungsreich, Sonnenunter- und -aufgang waren schon sehr schön, aber in einem klimatisierten Zug mit zivilisierten Mitreisenden (der eine oder andere USA-Greyhound-Reisende würde da doch einen Unterschied machen) ist es halt doch eher ne Kaffee-Fahrt.

Trotzdem bin ich froh, mich für’s Zugfahren entschieden zu haben. So kann ich die endlose Weite spüren, die dieses riesige Land mit sich bringt… meineserachtens verpasst man wirklich etwas, wenn man bei Reisen auf diesem Kontinent ausschließlich fliegt. Einzig mit einem Wohnwagen durchs Outback zu fahren könnte noch ähnlich, vielleicht sogar besser sein. Aber so viel Glück ich auch in sämtlichen anderen Belangen auf meiner Reise bisher hatte… Menschen, die mit einem ähnlichen Zeithorizont und ähnlichen Zielen wie ich reisen und dann noch den Anschein machen, als könnte ich sie und sie mich für mehr als ein paar Tage am Stück ertragen, sind mir leider in Australien noch nicht begegnet. Zur Verteidigung der Menschheit muss ich allerdings sagen, dass es hauptsächlich an geplanter Zeit und Richtung der weiteren Reise liegt.

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