Alice Springs ist nicht weiter der Rede Wert. Vielleicht unterschätze ich das Städtchen auch, weil ich ihm nicht genug Zeit gebe, um seinen Charme auf mich wirken zu lassen… in dem halben Tag, den ich dort verbringe erlebe ich es allerdings eher als ein Dreckloch in dem man einen extrem schlechten Eindruck von den Aborigines bekommt, weil sie überall herumlungern und einen auf unangenehme Weise ansprechen. Die Stadt ist der einzige Ort in Australien, an dem man gewarnt wird (von Reiseführern, Hostelbesitzern und quasi jedem, dem man begegnet), sich im Dunkeln alleine (oder in zu kleinen Gruppen) draußen aufzuhalten. Egal ob männlich oder weiblich. Schon tagsüber fühle ich mich nicht gerade wohl, als ich durch die Straßen gehe. Das ist vor allem deshalb schade, weil ich vermutlich nicht die einzige Reisende bin, die zu Verallgemeinerungen neigt. Und die problemstiftenden Aborigines in Alice Springs nicht unbedingt repräsentativ für alle Ureinwohner sind, sondern im Gegenteil Menschen, die es sich auf verschiedenste Art und Weise mit ihren Stämmen verscherzt haben und diese deshalb verlassen mussten… Ausgestoßene quasi, die wir zwangsläufig (weil wir sonst nicht vielen begegnen), als den Normalfall ansehen.
Nach Alice Springs (das nebenbei bemerkt noch mehr mitten in der Wüste liegt, als Las Vegas, glaub ich, aber viel weniger blinkt) kommt man hauptsächlich, um von dort aus auf eine Tour zum Uluru (Ayers Rock) zu gehen. Der große rote Stein in der Mitte des Kontinents ist nicht nur „das“ Wahrzeichen Australiens, sondern auch eine Kultstätte der Aborigines. Hier wird man zwangsläufig damit konfrontiert, wie unschön die Atmosphäre für sie wurde, als die Engländer hier Fuß fassten. Um es mal ganz milde auszudrücken. Alles, was wir heute als sehenswert erachten, hatte schon einen Aborigine Namen, den die Engländer geflissentlich ignorierten. Erst seit wenigen Jahren werden diese wieder benutzt, ich erwähne hier einfach mal beide. Den einen aus Prinzip, den anderen wegen seiner Bekanntheit und weil es leichter scheint, ihn auszusprechen.
So steige auch ich am nächsten Morgen kurz vor Sonnenaufgang wieder in einen Tourbus. Unser Guide heißt Elli, eine winzige Mitzwanzigerin mit unglaublicher Energie, die mit allen Mitteln versucht, in der Gruppe gute Laune aufkommen zu lassen. Das gelingt ihr allerdings nicht wirklich und damit ihr einen kleinen Eindruck davon bekommt, warum das so ist, beschreibe ich euch meine Reisegruppe mal etwas detaillierter (und das nicht nur, weil ich weiß, das mein Onkel und wie ich gerade höre auch meine Mutter, Fans meiner Personen-Charakteristiken sind):
Meine Mitreisenden sind so eindrucksvoll keinen wirklichen Eindruck auf mich gemacht, dass ich tatsächlich sämtliche Namen vergessen habe, daher werde ich der Einfachheit halber auf die altbewährte Methode zurückgreifen und alle Mädels Julia und alle Jungs Mark nennen. Wo fange ich an… am besten halte ich mich grob an die Sitzordnung im Bus… also:
Da wären Julia und Mark aus der Schweiz. Verheiratet oder seit Ewigkeiten ein Paar. Die beiden sind nicht gerade Plappermäuler, genau wie Julia und Mark aus Liechtenstein, weshalb ich die Biographien der beiden Päärchen gerne verwechsle. Ein Paar ist Ärzte, mit dem anderen sind sämtliche Versuche der Kommunikation (und glaubt mir… Smalltalk kann ich mittlerweile) nie so weit gekommen genaueres herauszufinden. Immerhin weiß ich, dass ich jetzt gerne mal nach Liechtenstein möchte. Genauergesagt möchte ich gerne mal durchlaufen. Weil es geht. Wo hat man sonst die Gelegenheit in so kurzer Zeit ein Land zu durchqueren? Die beiden Päärchen sind auch vom Erscheinungsbild relativ ähnlich. Die beiden Julias sind klein, zierlich und blond, die beiden Marks etwas größer und unauffällig. Keine Ecken, keine Kanten, alle vier ausgestattet in Outdoorkleidung, die sie sich anscheinend direkt vor der Reise zugelegt haben.
Dann ist dort Julia aus Dänemark. Sie sieht so ganz und gar nicht Dänisch aus. Klein, dunkle kurze Haare eher burschikos. Krankenschwester, schüchtern und schweigsam. Außerdem die beiden Julias aus Frankreich, die mit zwei Marks, ebenfalls aus Frankreich irgendetwas zwischen einer Beziehung und einer Freundschaft pflegen zu scheinen. Die vier sprechen gerne und laut, allerdings hauptsächlich französisch. Der englische Wortschatz der Mädels scheint sich hauptsächlich auf „Mir ist heiß!“ und „Ich will endlich duschen“ und „Wann sehen wir denn endlich Ayers Rock?“ zu beschränken. Leider verstehe ich diese Sätze auch auf Französisch, so dass sich in mir mit zunehmender zeitlicher Entfernung der Verdacht erhärtet, dass die beiden vermutlich in keiner Sprache etwas anderes sagen. Ach doch… als es am ersten Abend darum geht Bier zu kaufen, sind sie auch ganz groß dabei was in mir die Hoffnung auf Kommunikation geweckt hat… mit anderen zusammensitzen, Bier trinken und vielleicht eine gute Zeit haben, ist dann aber doch nicht so ganz deren Ding.
Ganz europäisch sind wir nicht, sondern haben einen Kanadier an Bord. Tatsächlich die einzige Person, deren Namen ich mir gemerkt habe, denn er heißt wirklich Mark. Er ist „Bushfirefighter“ und sollte ich jemals in ein Buschfeuer geraten, so ist er definitiv jemand, auf dessen Hilfe ich vertrauen würde, denn er könnte mich vermutlich mit einem Arm aus dem Wald tragen und mit dem anderen gleichzeitig eine Kleinfamilie inklusive Katze retten. Er scheint seinen Traumjob gefunden zu haben, dieser beinhaltet es aber, dass er manchmal Wochenlang, nur mit seinen Kollegen, irgendwo im Busch lebt und entsprechend bezeichnet er die Einsamkeit als „sein Ding“. Worte eher nicht so. (Obwohl ich ihn am letzten Morgen beim Hike um Uluru tatsächlich zu einer Unterhaltung gebracht habe und jetzt über ein unglaubliches Wissen über Bushfirefighting verfüge. Z.B. dass die Feuerwehrmänner im Einsatz mal eben 9000 Kalorien verdrücken und gleich verbrennen (no pun intended)). Und dann sind da noch Mark und Mark aus England. Ersterer stellt sich selbst als „das Baby“ vor, er ist nämlich erst 18. Letzterer bringt mich ziemlich lange zum Grübeln. Er ist noch älter als ich (und ich habe die Vermutung, das will in diesem Bus bzw. unter Reisenden in diesem Land, etwas heißen), winzig klein, zierlich, Haare und Bart haben -wo vorhanden- die gleiche Länge und sind auf dem Weg eher grau zu sein, als meliert. Aber irgendwoher kenne ich seine Stimme. Nach einer Ewigkeit komme ich drauf. Er klingt wie Tobi! Würde er nicht direkt hinter mir sitzen und mir so erlauben, mich nur auf die Stimme zu konzentrieren, wäre ich vermutlich nie drauf gekommen.
Ein Ire darf natürlich auch nicht fehlen und so haben wir Mark mit an Board. Der Gute ist ziemlich grummelig, wirkt ein wenig deplatziert, spricht kaum und wenn, dann mit diesem irischen Genuschel, das beim besten Willen keiner verstehen kann, der nicht selbst von der Grünen Insel ist. Natürlich bin ich nicht die einzige Deutsche im Bus, denn mit dabei sind noch zwei Kerls mit Namen Mark. Vom äußeren Erscheinungsbild würde ich die beiden eher am Ballermann vermuten, als in der Wüste Australiens. Als ich mich mit ihnen unterhalte, ändere ich diese Meinung kein Stück. Der eine ist dünn, weit entfernt von jedem Muskelansatz, schütteres, blondes Haar, trägt Hawaiihemden, hat „Wirtschaft“ studiert, ist gerade fertig und muss erst mal raus. Der andere ist kräftiger, trägt T-Shirts, die um den Bauch herum gerne etwas mehr Freiheit hätten und liebt Sprüche, die vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen irgendwo unter der Gürtellinie liegen. Auch er hat irgendwas mit Wirtschaft studiert, ist gerade fertig und muss sich ersteinmal erholen. Beide sind Ende 20 und haben sich ein wenig Zeit gelassen mit dem Studium. Und dann ist da noch ein weiterer Typ, von dem ich alles vergessen habe, außer sein Name: Er heißt Mark.
Und so ist die Stimmung relativ schläfrig und das obwohl wir mit Eddings an die Fensterscheiben malen dürfen und jeder die Geschichte seines ersten und letzten Kusses erzählen musste. Mal abgesehen davon, dass es natürlich bei den Päärchen zu einer unglaublichen Aufregung kommt, ob denn auch beide das Richtige sagen. Uiuiui… Mir ist klar, dass ich diese Gruppe eher als soziales Experiment betrachten sollte, als als Quelle für neue Freundschaften…
Irgendwann kommen wir zu unserem ersten Stopp, dem „King’s Canyon“. Hier geht’s zu unserer ersten Wanderung und wer nicht mindestens drei Liter Wasser dabei hat (leere Flaschen reichen, kann man im Bus auffüllen), darf nicht mit. Viel zu Hoch ist die Gefahr einer Dehydrierung, wenn man sich bei der Hitze in der Wüste bewegt. Natürlich hören wir allerhand Schreckensgeschichten von Tour-Teilnehmern, die nicht auf ihre Guides gehört haben und dann keinen sonderlich guten Tag hatten. Bei mir stößt das natürlich auf offene Ohren, schließlich habe ich bereits im gut klimatisierten Deutschland eine irrationale Angst zu dehydrieren. Die beiden Französinnen sind ganz allgemein nicht von dem Konzept überzeugt, sich aus dem klimatisierten Bus zu bewegen und zu laufen. Vor allem, weil das ja gar nicht Uluru ist. Irgendwann kommen sie dann aber doch mit und man sieht, dass ihre beiden Marks eigentlich lieber einen Schritt schneller laufen würden, statt mit ihren Mädels hinterher zu trödeln.
Wir haben aber Glück. Es ist etwas bewölkt und daher viel „kälter“ als gewöhnlich. Und so ist die Wanderung zwar anstrengend, aber die drei Liter braucht keiner von uns. Der King’s Canyon ist schon sehr schön. Nichts gegen den „Grand Canyon“, aber mit dem sollte ich nichts vergleichen und auch nichts gegen die kleinen Canyons in den Rockies, die sind nämlich ganz anders, aber schon auch sehr schön (eigentlich sogar schöner, aber ich sollte mir abgewöhnen so wählerisch zu sein). Am faszinierendsten finde ich jedoch, was Elli uns so über Flora, Fauna und Aborigines erzählt. So sind z.B. die „Gumtrees“, so perfekt an die unwirtlichen Lebensbedingungen in Australien angepasst, dass sie nicht nur Feuer brauchen, um sich zu vermehren (das gilt übrigens auch für die Pine-Trees in Kanada, dank Mark bin ich da informiert), sondern auch die Wasserversorgung zu einzelnen Ästen abschneiden können. Wenn sie also merken, dass nicht genug Wasser für den ganzen Baum vorhanden ist, lassen sie einen Ast absterben und retten damit den Rest des Baumes. Ziemlich genial, wie ich finde. Außerdem produzieren sie ein weißes Pulver, dass als Sonnenschutzmittel wirkt. Grandios.
Höhepunkt am „King’s Canyon“ ist das Paradies. Wie kann ein Besuch im Paradies auch nicht Höhepunkt sein? Im Garten Eden gibt es ein Wasserloch, in dem wir baden können und es auch tun. Prinzipiell spricht nichts dagegen, dies in Badekleidung zu tun, da ich aber endlich mal die Chance habe, in voller Bekleidung schwimmen zu gehen und die dann folgende Verdunstungskälte als meine persönliche Klimaanlage zu nutzen, schwimme ich lieber in Hose und T-Shirt. Das macht auch alles soweit Spaß, als ich dann aber komplett bekleidet und entsprechend triefend nass, versuche aus dem Wasserloch zu klettern und auf den glitschigen Steinen immer wieder ausrutsche, bis ich es endlich heraus schaffe, fühle ich mich doch wie das genaue Gegenteil von Halle Berry in James Bond… Wie gut, dass Pierce Brosnan nicht zu meiner Reisegruppe gehört.
Bei diesen Temperaturen ist so ein erfrischendes Bad wirklich paradiesisch, der Ort hat seinen Namen verdient, finde ich. Trotzdem freue ich mich, keine Schlange zu entdecken. Denn ganz ehrlich… in diesem Land könnte die Begegnung mit einer Schlange definitiv noch unangenehmer enden, als mit der Tatsache, dass uns Feigenblätter nicht mehr genügen… Die Gelegenheit, im Garten Eden einen Apfel zu essen, lasse ich mir trotzdem nicht entgehen. Kann ja eigentlich nix passieren, ich hab ja einen Bauchnabel, Eva heiße ich auch nicht und Adams gibt’s hier ebenfalls nicht. Es heißt ja eh jeder Mark.
Außerdem entdecke ich einen Felsen, der Aussieht, wie ein Hase. Nicht mal Elli kannte den und entsprechend auch keine Aborigine-Geschichte, die dazu passt. Ich werde mir bei Gelegenheit eine ausdenken. Nach dem Frosch in Neuseeland ist er definitiv der coolste Fels. Langsam habe ich eine ganze Sammlung und außerdem das Gefühl, dass man einen Blick dafür entwickelt…
Am Abgrund des Canyons machen wir das erste und einzige Gruppenfoto auf dieser Tour. Leider kann ich es euch nicht zeigen, weil Julia, die es an alle weiterschicken sollte, wohl unter der Dusche ihre Mission vergessen hat… arrggghhh.
Danach müssen wir Holz für’s Lagerfeuer suchen und dürfen alles zum Anhänger schleppen, was tot ist, also kein Grün mehr hat. Lange nicht mehr so viel Spaß gehabt. Sich einfach an einen Ast hängen und so lange wippen bis er abbricht, ist ja schon irgendwie nach meinem Geschmack… Wen ich allerdings nicht mit nennenswertem Holz in der Hand sehe, sind die beiden französischen Julias… genau diesen Eindruck von ihnen hatte ich ja von Beginn an… das muss ich weiter beobachten, so unfair bin ich zugegebenermaßen… erwartungsgemäß halten die beiden sich auch gleich raus, als es ums Abendessenkochen (bzw. Kleinschneiden von Gemüse) geht. Aber da mussten sie sich wohl noch von ihrem Schock erholen, denn mitten im Nichts, wo wir heute Nacht kampieren werden, gibt es keine Duschen. Die beiden fanden es gar nicht lustig, als Elli dies begleitet von einem „Wir werden nach den drei Tagen alle so richtig schön dreckig sein und übel riechen!“, erwähnte. Versteht mich nicht falsch, auch ich bin durchaus ein Freund von regelmäßiger Körperhygiene, aber wenn ich mich auf eine dreitägige Tour ins Outback begebe, die mit „Aktivität und Abenteuer“ wirbt und klar ist, dass wir nicht in Hostels schlafen, rechne ich nicht mit fließend Wasser…
Die ganze Tour ist relativ rustikal, nicht weiter erstaunlich, wenn man einen Blick auf die Werbebroschüre geworfen hat. Die erste Nacht verbringen wir auf einer Farm. In diesem Fall heißt das: auf einem Fleckchen rotem Sand mit Feuerstelle, einem Plumsklo und einer kleinen Überdachung für den Notfall. Dass es sich um das Gelände einer Farm handelt, weiß ich nur, weil man es uns sagt. Kein Haus weit und breit, keine wirkliche Straße und auch die zigtausend Kühe, die es hier wohl gibt, sind weit entfernt. Wir machen ein Lagerfeuer, in dem wir auch gleich unser Abendessen kochen. Aus Emailleschüsseln gibt es dann Kartoffel-Möhren-Durcheinander, Reis und wer mag Chilli. Es ist unglaublich, wie sehr ich es genieße, mein Abendessen mehr oder weniger im Staub sitzend zu verputzen. Wiedereinmal stelle ich fest, dass ich Land-Dreck gar nicht schlimm finde. Etwas Staub im Essen hat noch keinem geschadet. In der Stadt finde ich es allerdings mehr als unangenehm etwas zu essen, wenn ich mir vorher die Finger nicht ordentlich waschen kann…
Der größte Teil der Gruppe verzieht sich direkt nach dem Essen zum Schlafen oder zumindest in Ecken, die weitere Interaktion mit Fremden nicht zulassen. Ich trinke mit den beiden Marks aus Deutschland, dem Bushfirefighter und Mark aus England noch ein Bier (was zugegebenermaßen sehr lustig ist, wenn man sie nicht allzu ernst nimmt) und dann verkrieche auch ich mich in meinen SWAG. Swags sind Matratzen mit aufgenähtem Schlafsack/Minizelt… naja… so ähnlich. Man nimmt schon noch einen normalen Schlafsack (in meinem Fall nur so ein Seidending, aber das reicht), aber kann sich halt gegen Regen schützen. Außerdem sind die Dinger ziemlich weich, gemütlich
Über uns ist eine gigantische Anzahl an Sternen, die sich im Kunstlicht der Städte lange Zeit vor mir versteckt haben. So einen wunderschönen Sternenhimmel habe ich wirklich erst einmal gesehen… auf dem Vulkan in Hawaii… und wann ich das letzte Mal direkt unter den Sternen geschlafen habe, weiß ich gar nicht mehr… ach doch… auf der Fähre durch die Inside-Passages in Alaska… naja fast. Das hier ist nochmal eine ganz andere Nummer, schon alleine, weil ich nicht befürchten muss, dass mich jemand mit Oliven bewirft.
Den ganzen Tag saßen wir im Bus oder sind herumgelaufen und jetzt umgibt mich eine Ruhe, die ich in den letzten Monaten, in all den Hostel Dorms nicht hatte. Selbst die wenigen Schnarcher legen sich weit weg von allen anderen. Und auch wenn ich nur selten wirklich schlecht schlafe, so gut wie hier, fernab von jeglicher Zivilisation, neben dem Lagerfeuer auf meinem gemütlichen Swag, war es schon lange nicht mehr…
Es ist noch dunkel, als Elli uns aufweckt, um in den nächsten Tag zu starten. Bereits am Vorabend habe ich festgestellt, dass mir das Plumsklo nicht wirklich liegt. Schon alleine, weil es irgendwann um einige Zentimeter versetzt wurde und sich daher nun vor dem eigentlichen Donnerbalken ein weiteres Loch befindet. Dieses zu überwinden bin ich einfach zu klein. Und mal ganz ehrlich… bei Sonnenaufgang hinter einem Busch zu hocken und das wunderbare Farbspiel am Himmel zu beobachten, hat eine ganz besondere Abenteuer-Romantik, der ich mich nur zu gerne hingebe.
Nach dem Frühstück (unglaublich, wie gut Instant-Kaffee bei solchen Gelegenheiten schmeckt) fahren wir dann doch ersteinmal zu dem Campingplatz am Uluru, dort gibt es nämlich Duschen. Und so sind wir allesamt sauber und wohlriechend, als wir zum nächsten schweißtreibenden Hike aufbrechen. „Kata Tjuta“, auch bekannt als „Die Olgas“ ist unser Ziel. Diverse rote runde Felsen, die einfach unglaublich schön sind. Unsere kleine Wanderung ist auch hier wieder anstrengend. Und das obwohl der größte Teil der Gruppe (inkl. mir) den einfacheren, aber dafür schöneren Weg wählt. (Einige Jungs nehmen natürlich die sportliche Variante. Dazu zählen auch die Begleiter der französischen Julias – die das nicht so gut finden – und meine Vermutung ist, dass es sich dabei eher um eine Flucht, als um den Wunsch nach körperlicher Betätigung handelt)
Es ist ohnehin weniger der Weg, als einfach nur die Hitze, die einen bereits bei den kleinsten Bewegungen zum Wasserauswurf bringt. Und wir haben noch Glück: selten ist es um diese Jahreszeit so „kühl“ in dieser Region. Aber was wir sehen ist jede Anstrengung wert und mal ganz ehrlich: rote Felsen sehen auf Fotos auch gleich viel schöner aus, wenn man einen blauen Himmel dazu hat. Und bei all dem Grün wäre ich auch wirklich enttäuscht, wenn ich in der Wüste nicht mal schwitzen würde. Elli teilt derweil ihr Wissen über die Region, die Aborigines und die medizinische Wirkung diverser Pflanzen mit uns. Wirklich spannend und alleine all die „Traumzeit“ Geschichten, die Aborigine-Mytologie, in der z.B. die Entstehung von Kata Tjuta, Uluru etc. erklärt werden, sind einfach faszinierend.
Viele Touristen sind hier nicht unterwegs, aber hin und wieder habe ich dann doch das Gefühl, dass irgendein (vermutlich deutscher) Imkerverein auf Klassenfahrt in Australien gelandet ist. Eine erstaunlich hohe Anzahl an Touristen trägt lächerliche Fliegennetze über dem Kopf, die durchaus die Fähigkeit haben, mich eine ganze Weile lang zu amüsieren. Zwar habe auch ich von den Fliegenmassen gehört, die einem hier angeblich in Augen und Ohren herumkriechen und sämtlichen Nerv rauben, aber was ich hier erlebe, ist nun wirklich nicht dramatisch. Die paar Fliegen. Und die stechen einen ja nicht mal… alles Pienschen. Zugegebenermaßen sind es mehr, als ich gewöhnt bin, aber da sie mir ja nichts tun, lasse ich sie auf mir sitzen, übe mich in Selbstbeherrschung (was von diversen Mitmenschen honoriert wird, die eine eher aggressive Haltung an den Tag legen) und irgendwann verschwinden sie ja auch wieder. Man muss sich ja auch nicht über alles aufregen.
Zum Sonnenuntergang sehen wir ihn dann zum ersten Mal. Den verrosteten Stein in der Mitte des Kontinents, für den wir alle mehrere tausend Kilometer gereist sind. Wir sind früh genug am Aussichtspunkt, um einen wirklich grandiosen Platz zu ergattern. Um uns herum werden Tische aufgebaut, mit weißen Tischdecken geschmückt, Gläser platziert und als die großen Busse mit massenweise gut gekleideten Touristen ankommen, knallen die ersten Korken. Wir machen derweil alberne Fotos und trinken Dosenbier. Es gibt einfach unzählige Varianten, wie Reisende ein und das selbe sehen, aber trotzdem so unglaublich unterschiedliche Erlebnisse haben können… das größte Gelächter kommt aber definitiv von uns. Die Natur allerdings verspürt keine große Lust, uns ein ordentliches Spektakel zu zeigen und die Sonne verschwindet einfach so und ohne den Himmel sonderlich bunt zu machen. Schade. Aber wir haben ja noch den Sonnenaufgang.
Zurück auf dem Campingplatz ist dann die Stimmung mal wieder eher dröge. Wirklich faszinierend, wie sich so eine Gruppe so gar nicht zu einer Gruppe oder wenigstens mehreren Untergruppen formieren will. Ich finde es einerseits schade, andererseits aber auch wirklich spannend, denn es geht so gegen jegliche Beobachtungen, die ich bisher gemacht habe. Aber Stimmungslosigkeit ist ohnehin nichts für Elli und so kann sie wenigstens einen kleinen Teil von uns zu albernen Spielen überreden. Zuerst spielen wir ein Spiel, dass ich schon wieder vergessen habe, aber wenn man etwas Dummes macht, muss man tanzen und das ist schon sehr amüsant. Dann kommt die großartige Idee des „SWAG-Sumo“ auf. Zwei Teilnehmer werden jeweils in einen SWAG gehüllt, Arme innen, und gut verschnürt. Dann kommt mit ordentlich Klebeband noch eine Metallschüssel auf den Kopf und dann müssen die beiden so lange gegeneinander rennen, bis einer aus dem Kreis im Sand heraustritt. Unglaublich lustig! Leider komme ich selbst nicht zum Zug. Sämtliche Mädels drücken sich und Elli fordert den einzigen Mark („das Baby“) heraus, der größenmäßig noch in Ordnung wäre. Gegen alle anderen hätte ich keine Chance und Mitleidsnummern mag ich nicht. Aber Zuschauen alleine ist auch schon einfach zu gut.
Trotz des lustigen Abendausklangs kann ich es kaum erwarten, wieder in meinen SWAG zu kriechen, denn obwohl wir auf einem Campingplatz sind, verspricht es wieder eine gute, erholsame Nacht zu werden. Und da wir ja den Sonnenaufgang sehen wollen, wird sie ohnehin nicht sonderlich lang.
Geweckt werden wir von einer leicht panischen Elli, die ruft: „Beeilt euch, die böse Elli hat verschlafen, wir müssen alle in spätestens 10 Minuten im Bus sein!“ Ich weiß nicht, wie Julia und Julia es schaffen, aber offensichtlich verzichten sie für den großen roten Stein sogar auf die morgendliche Dusche, denn wir sind alle schneller im Bus, als man glaubt und dann geht es relativ rasant los. In meiner Erinnerung stellt sich der Bus in den Kurven quer, als wir auf dem Weg zum Aussichtspunkt sind, aber es ist durchaus möglich, das ich mir das auch nur ausdenke. Wir schaffen es rechtzeitig und ganz ehrlich… so ein Frühstück bei Sonnenaufgang mit Blick auf den Uluru könnte selbst meinem Perfektionismus noch ein Meister ein. Währen dort nicht die Fliegen. Schon nach wenigen Minuten nehme ich sämtliche Kommentare zurück, die ich am Vortag (meist mir selbst gegenüber) über den Imkereiverein gemacht habe und wünsche mir so ein verdammtes Netz über dem Kopf. Was wollen denn die blöden Viecher in meinen Ohren und Augen? Ich bin doch kein Pferd! So bin ich mit einer Hand konstant am wedeln, was bei meiner rechts-links-Handkoordination leider zu einigen Schwierigkeiten beim Genuss meines Frühstücks führt. Auch Fotografieren ist nicht einfach und noch schwerer ist es, fotografiert zu werden, weil sich in dem kurzen Zeitraum in dem man posiert bereits mehrere Fliegen irgendwo im Gesicht sammeln und einen fürchterlich kitzeln. Hat eigentlich jemals jemand über Fliegen als Foltermethode nachgedacht? Ich will doch nur in Ruhe Kaffee trinken!!!
Irgendwann ersäuft eine Fliege jämmerlich in der koffeinhaltigen Brühe und und ich erwische mich bei einem recht lauten Ausruf, der in Richtung: „Siehst du, du Mistviech, das hast du nun davon!“ Und ernte dafür erstaunte Blicke. Offenbar habe ich zu lange still herumgesessen, so dass der plötzliche Ausbruch überrascht. Bei mir ist es jetzt wirklich vorbei mit jeglicher Selbstbeherrschung. Ich versuche ein Exempel zu statuieren, in dem ich möglichst viele Fliegen erschlage. Vielleicht lernen ihre Freunde daraus… Aber wie im Leben der Menschen lernt keiner aus den eigenen Fehlern und noch weniger aus denen der Mitmenschen und es surrt und summt und kitzelt unaufhörlich weiter. Arrrrggggghhhhhh….. bevor ich endgültig ausraste ist zum Glück irgendwann die Sonne da, scheint munter auf uns herab und wir räumen unser Frühstück zusammen, um uns den Felsen aus der Nähe anzusehen und um ihn herumzulaufen.
Leider haben Fliegen keinerlei Respekt vor Kultstätten und so nerven sie uns weiter, aber selbst das wird zur Routine. Während des gesamten Spaziergangs wedele ich mit meinem Hut vor mir herum und wenn man ersteinmal im Rhythmus ist, haben die Fliegen keine Chance und verlieren damit ihre Nervkraft… man kann sich tatsächlich an alles gewöhnen. Und so ein Gespräch über Bushfeuer ist auch ziemlich beruhigend, zumindest wenn der Gesprächspartner jemand zu sein scheint, der eine unglaubliche Ruhe ausstrahlt. Irgendwann frage ich Mark tatsächlich, ob er jemals in Panik gerät. Die Antwort dauert (erwartungsgemäß) eine Weile, fällt aber negativ aus. So jemanden hätte ich gerne in klein für auf den Schreibtisch.
Uluru ist ein beeindruckender Felsen, irgendeine Form von Magie spüre ich allerdings nicht. Wirklich lustig allerdings finde ich, dass ich in einer Höhle eine Zeichnung finde, die aussieht, als stünde ein Schwein auf einem Globus. Die Zeichnung ist schon sehr alt, aber offensichtlich war schon damals klar, dass Trudi irgendwann die Welt bereist.
„Kata Tjuta“ hingegen wirkt auf mich eindeutig eindrücklicher, wobei ich nicht beschreiben kann warum. Es ist einfach so. Aber da man auf einer Tour ohnehin die ganze Region besucht, kann man sich ja sein Sahnestückchen heraussuchen und ich muss schon sagen… es ist es wirklich Wert, diese Entfernung von der Zivilisation zurückzulegen.
Nach dem Spaziergang geht es noch in ein Kulturzentrum und dann mit dem Bus zum Flughafen. Leider verpasse ich das Kamelreiten, weil ich von hier aus weiterfliege und nicht zurück nach Alice Springs fahre. Wobei… vielleicht wäre es auch gar nicht so lustig geworden, schließlich scheine ich die Einzige zu sein, die für diesen Programmpunkt einen gewissen Enthusiasmus aufbringen konnte. Aber egal. So viel so schöne Natur in so einer kurzen Zeit gesehen und so viele schöne Geschichten dazu gehört zu haben, plus den Bonus, jetzt über ein für einen Laien recht ausführliches Wissen über das Thema Bushfirefighting zu besitzen, machen mich glücklich.
Außerdem habe ich drei Tage lang nicht nur draußen, sondern auch noch im Dreck gespielt… was will ich mehr?