Mit Julia und Mark aus Liechtenstein, Mark aus Irland und noch einigen anderen, die ich bereits vergessen habe, sitze ich am Flughafen und warte auf meinen Abflug. Ich bin die Einzige, die nach Perth fliegt, der Rest strebt Richtung Osten. Weil wir zufällig nebeneinander sitzen, unterhalte ich mich irgendwann mit Mark, dessen Irischen Akzent ich langsam zu verstehen beginne. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass er zum ersten Mal mehr als einen kurzen Satz sagt (und damit meine ich nicht nur im Gespräch mit mir, sondern ganz allgemein auf dieser Tour) und bei längerer Unterhaltung sogar ganz nett zu sein scheint. Mir scheint, er hat sich bisher einfach nicht getraut, den Mund aufzumachen (insofern man bei Iren überhaupt davon sprechen kann), denn er ist zum ersten Mal alleine unterwegs, eigentlich wollte er nur seine Freundin besuchen, die zum „Work & Travel“ in Australien ist, aber die hat die Tour für ihn gebucht und alleine Reisen macht ihm Angst. Ein guter Grund die Klappe zu halten. Vielleicht nicht unbedingt so meine Art, aber das kann ja jeder halten, wie er will. Immerhin spricht er jetzt und so wird die Wartezeit dann doch recht angenehm. Vielleicht hätte ich das nicht denken, sondern über die Tortur des ständigen Wartens auf Reisen philosophieren sollen… Das Leben dachte sich wohl, es tue mir einen Gefallen, als ich kurz darauf eine Durchsage höre, die mir erzählt, dass mein Flug verspätet ist. Mark sagt: „Oh nein, wie ärgerlich für dich!“ Ich denke „Was soll’s? Ich sollte herausfinden, ob die hier irgendwo Kaffee verkaufen…“. Und sage es dann auch laut. Wenn mir das Leben schon versucht, auf seine seltsame Art etwas Gutes zu tun, dann sollte ich vielleicht auch einfach das Beste daraus machen.
Irgendwann fangen die Durchsagen an wirr zu werden. Zuerst wird die Verspätung immer länger, dann heißt es, dass der Flug evtl. ganz ausfällt. Panik oder Unmut habe ich offensichtlich an diesem Tag delegiert, denn während Mark für mich die Apokalypse meiner Reise ausmalt, kann ich keinen einzigen Grund finden, warum es für mich schlechter sein sollte, erst morgen in Perth anzukommen und noch nicht heute. Ich gehe zum Schalter, um mal genauere Auskünfte zu bekommen und dort sagt man mir, dass ich einchecken könne, dann kann ich in den gesicherten Bereich und dort erhalte ich Wasser, Kaffee und einen Snack. Mit größter Wahrscheinlichkeit müsste ich dann aber wieder aus dem Bereich heraus, denn es sieht danach aus, dass der Flug storniert wird und wir in ein Hotel gebracht werden.
Ich wäge kurz Coffein gegen Gesellschaft ab und warte dann doch lieber außerhalb des Security-Bereiches. So eine Tasse Kaffee hält ja auch nicht ewig. Irgendwann verschwindet dann aber auch mein Gesprächspartner… zum Glück weiß kurz darauf auch die Fluggesellschaft was los ist. Das Flugzeug, dass uns eigentlich an die Westküste bringen soll hat ein technisches Problem. Deshalb können wir heute nicht los und werden stattdessen gleich von einem Bus abgeholt, der uns in ein Hotel bringt. Es gibt ein Abendessen und morgen nach dem Frühstück werden wir dann wieder abgeholt, zum Flughafen gebracht und nach Perth geflogen. Für mich klingt das alles nach einem sehr guten Plan. Vielleicht muss man eine Weile mit knappem Budget in Hostels unterwegs gewesen sein, um sich über so etwas zu freuen, aber für mich ist die Aussicht auf ein kostenloses Zimmer (ganz für mich allein), Abendessen, ausgiebiges Frühstück und das alles in einer Qualität, die ich (wenn überhaupt) seit Ewigkeiten nicht mehr hatte, ein wirklich großer Grund zur Freude. Und diese bin ich bereit zu teilen.
Um mich herum versammeln sich die anderen Passagiere der Maschine und während mir die Sonne aus dem Allerwärtesten scheint, besteht sonst allgemeine Grummellaune. Ich für meinen Teil finde es gut, nicht in einem Flugzeug zu sitzen, das irgendwelche „technischen Probleme“ hat. Sämtliche Auskünfte waren gut, die Wartzeit nicht allzulang und für mein Empfinden läuft die Problemlösung hier einfach absolut professionell. Daher bedanke ich mich bei den beiden am Schalter, die nach wie vor freundlich auf die meckernden Reisenden reagieren und tänzle zum Bus. Dieser lädt und uns vor der Lobby des schicksten Hotels ab, dass das Resort zu bieten hat und ich fühle mich plötzlich nicht nur überglücklich, sondern auch so fehl am Platz, dass es mich schon fast wieder stolz macht.
Heute Morgen noch war ich wandern, trage also Cargo-Hosen, die bis zu den Knien rot eingestaubt sind. Dazu ein nicht unwesentlich durchgeschwitztes T-Shirt und natürlich Wanderschuhe. Mein Gepäck besteht aus einem großen und einem kleinen Rucksack, die beide schon bessere Zeiten erlebt haben und das gilt sowohl für Optik, als auch Geruch. Alle anderen Fluggäste (die ja jetzt keine sind, weil wir nicht fliegen) sind frisch geduscht, tragen eher elegante Freizeitkleidung und haben Koffer und Handtaschen neben sich stehen, die alle noch keine schlechten Zeiten gesehen haben. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass irgendwie alle die Mundwinkel nach unten gerichtet haben, während ich über beide Ohren strahle und mit meiner guten Laune vermutlich allen auf die Nerven gehe. Es herrscht allgemeine Unzufriedenheit, dass wir keine richtige Entschädigung bekommen, man für die zur Verfügung gestellten 25 Dollar nicht gescheit zu Abend essen könne und sowieso und überhaupt. Weil mir das Problem nicht so ganz klar ist und ich finde, die Leute sollten sich mal lieber freuen, dass sie überhaupt in so einem schönen Land Urlaub machen können, beschließe ich, meine Freude zu teilen, sie ist ohnehin zu viel für einen Menschen.
So unterhalte mich mit diversen Menschen und finde heraus, das bis auf ein Ehepaar, das eine Tour in Perth gebucht hat (und eine Reiseversicherung hat, die das finanziell lösen dürfte), keiner irgendetwas verpasst oder irgendeinen Schaden davon nimmt, dass wir einen Tag später in Perth ankommen. Trotzdem scheint es sie alle zu erstaunen, dass man sich über so etwas sogar freuen kann. Ist wohl doch alles eine Frage der persönlichen Situation und Perspektive. Was bin ich heute gerne ich. Schließlich hätte ich gar keine Lust, mich jetzt aufzuregen.
Eine Alleinreisende Engländerin Ende 30 lässt sich tatsächlich anstecken und auch einige andere scheinen zu bemerken, dass es sich vielleicht wirklich nicht zwangsläufig um das Ende der Urlaubsfreude handeln muss. Fast. Schließlich haben sie Hunger und wir müssen ja noch ewig auf unsere Zimmer warten. Und wieder lerne ich auf meiner Reise etwas für’s Leben: Kekse sind ein Garant für ein Lächeln. Gut, dass ich unterwegs meist welche dabei habe. So teile ich, die offensichtlich am unteren Rande des Reiseniveaus unterwegs ist, mein Essen mit der feineren Gesellschaft und muss darüber irgendwie schmunzeln.
Kurz darauf erkläre aber auch ich die Warterei für Zeitverschwendung und bitte die Damen an der Rezeption mein Gepäck zu lagern, damit ich spazieren gehen kann. In meiner fast endlos guten Laune bilde ich mir das vermutlich bloß ein, aber mir scheint, als freuten sich die Mädels, dass jemand wohlgelaunt einfach eine Alternative zum muffelig herumsitzen gefunden hat. So laufe ich ein Wenig durch die Hitze, schaue mir die Anlage des Ressorts ein Bisschen genauer an und als ich zum Hotel zurück komme, erhalte ich einen Schlüssel und begebe mich zum ersten Mal seit Alaska in ein Zimmer, das nur für mich alleine da ist. Mit einem Bad, ganz für mich alleine und sogar einem Fernseher, einem Wasserkocher und einer kleinen Auswahl an Teebeuteln… ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie gut sich das anfühlt!!!!!
Innerhalb von Sekunden verwandle ich das Zimmer in absolutes Chaos, einfach nur weil ich es kann. Seit viel zu langer Zeit konnte ich nichts mehr einfach nur irgendwo liegen lassen und mich breit machen. Oder ohne nennenswerte Kleidung herumlaufen. Das muss genutzt werden. Außerdem schalte ich natürlich den Fernseher ein. Nicht, dass ich dem Programm auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenke, aber das Flimmern freut mich. Dann geht es ersteinmal unter die Dusche. Schließlich muss ich sämtliche, dort aufgereihten Pflegeprodukte testen und so einen guten Wasserdruck, ein so sauberes Bad und niemanden der vor der Tür steht und wartet, gab es auch schon lange nicht mehr. Ja… die Wüste ist eigentlich nicht der richtige Ort, um eine ausführliche Dusche zu genießen, aber ich kann einfach nicht anders. Und die Handtücher sind so schön sauber und wohlriechend…. da muss ich mein Gewissen leider ignorieren. Außerdem war ich nach der abenteuerlichen Wüstentour auch wirklich angemessen dreckig.
Wieder im Reinen trinke ich erstmal fix einen Tee und dann geht’s ab in den Pool, ein paar Runden Schwimmen, ein Wenig Lesen und Sonnenbaden… wie kann denn irgendjemand auf die Idee kommen, sich bei einem solchen, auch noch kostenfreien, Angebot zu beschweren? Einfach unfassbar. Wenn ich es nicht besser wüsste, hielte ich mich selbst für eine Prinzessin. Ach, was soll’s ein bisschen Mädchenhaftigkeit darf heute sein und so werfe ich mich anschließend in mein schickes schwarzes Kleid, bei dessen Anprobe mir kurz die Luft wegblieb und beschließe, dass es Zeit für eine Fotosession vor dem großen roten Stein ist. Und vielleicht ist Natur ja gewillt, mir diesmal einen schönen Sonnenuntergang zu zeigen.
Die Engländerin habe ich leider nicht wieder gefunden. Schade eigentlich, irgendwie ist das Leben in Gesellschaft ja doch amüsanter…
Am Sonnenuntergangsaussichtspunkt treffe ich ein australisches Ehepaar, das erstaunlicherweise gewillt scheint meine anstrengend gute Laune zu ertragen. Eigentlich nicht nur zu ertragen, sie erfreuen sich sogar daran, haben Spaß mit mir und der Mann lässt sich als mein persönlicher Fotograf anstellen, was extrem lustig, leider aber wenig erfolgreich ist. Gerade „Sprungfotos“ erfordern so einiges an Übung oder zumindest Gefühl für meine spätauslösende Kamera. Egal, es ist lustig und so vertreiben wir uns die Zeit, bis die Sonne ganz ohne Spektakel ihren Untergang vollzogen hat und es stattdessen ordentlich anfängt zu gewittern.
Schon bei den ersten Regentropfen flieht das Ehepaar und ich beschließe, mich darüber zu freuen, dass der Regen so schön warm ist. Schließlich freue ich mich heute über alles. Außerdem ist es mal wieder Zeit für eine kleine Session mir mir und dem Selbstauslöser meiner Kamera und so tanze ich albern im Regen, mitten in der roten Wüste Australiens, mit Uluru im Hintergrund bis ich patschnass bin und Hunger habe. Da es immer noch warm ist, beschließe ich, nichts gegen das Nass-sein zu tun und dafür lieber zügig etwas gegen den Hunger. Es treibt mich in ein Barbecue-Restaurant, in dem man sein Grillgut roh bekommt und es sich dann selbst zubereiten kann. Hier kann man sich einmal durchs Tierreich essen und Beilagen gibt es auch noch. Für ca. 18 Dollar bin ich mit meinen Garnelen dabei, bleiben mir also noch 7… da sollte ich doch noch woanders hin und dort schauen, was es zum Nachtisch gibt…. Alkoholische Getränke können wir mit unserem Gutschein leider nicht bekommen, egal, auf diesen Tag muss getrunken werden, kaufe ich mir eben ein Glas Weißwein, Wasser gibt es ohnehin wie überall kostenlos.
Zu meiner großen Freude (was auch sonst an diesem Tag) setzt man sich hier einfach an langen Tischen mit beliebigen Menschen zusammen und so gerade ich in eine Gruppe älterer Herr- und Damschaften aus England, die offensichtlich schon verdammt viel Spaß zusammen hatten und gewillt sind, sich auch gleich noch für mich zu freuen, weil ich so einen tollen Tag hatte.
Nach drei riesigen Garnelenspießen und entsprechenden Beilagen bin ich zwar vollgegessen, aber Nachtisch geht ja bekanntermaßen immer. Also ab in den Shuttlebus, der einen im Ressort herumfährt und auf zum nächsten Restaurant. Das hat leider schon zu. Bleibt noch das in meinem Hotel. Da muss ich ja eh hin. Das schließt aber auch gerade vor meiner Nase… Hmmm da hab ich wohl zu lange im Regen getanzt… und es somit nicht geschafft, meinen 25 Dollar Essensgutschein aufzubrauchen… trotzdem bin ich satt mit vermutlich dem besten Essen seit… langem.
Dann gehe ich halt auf mein Zimmer. Mein Zimmer. Nur für mich. Mit einem riesigen Bett, das nicht durchgelegen ist, aber dafür ganz frisch bezogen… ich möchte fotografisch festhalten, wie sehr es mich freut und verbringe gute zwanzig Minuten damit, auf dem Bett herumzuspringen und ein Bild zu machen. Gar nicht so einfach. Und ziemlich anstrengend. Hätte ich gar nicht gedacht. Macht aber unglaublich viel Spaß… ok… damit war zu rechnen.